Der Kanton Graubünden ist der flächenmässig grösste Kanton der Schweiz und der einzige Kanton, in dem drei Landessprachen gesprochen werden. Die Natur ist geprägt von Bergen, Tälern und Seen sowie einer reichhaltigen Fauna. Und auch kulinarisch hat Graubünden einiges zu bieten. Mehr über den Kanton im Südosten der Schweiz erfährst du in diesem Blogbeitrag.

Zum Kanton Graubünden habe ich ein besonderes Verhältnis. Ich verbrachte in meiner Kindheit die Winterferien nämlich meistens bei meinen Grosseltern in Davos. Tagsüber waren wir entweder auf Langlauf- oder Skipisten unterwegs oder auf der damals noch wunderschönen Natureisbahn. Und wenn wir mal keine Lust auf Sport hatten, gings auf die Schatzalp zum Eichhörnchen füttern – und anschliessend mit dem Schlitten wieder runter. Und zu Hause gabs dann Capuns, Maluns oder Gerstensuppe von der Grossmutter.

Unterdessen kenne ich auch den Rest des Kantons Graubünden ziemlich gut. Meine bevorzugten Ziele liegen heute meist im Prättigau, im Engadin, der Surselva und im Puschlav. Letztes Jahr wurde ich von Graubünden Ferien für ein Wochenende ins Misox eingeladen. Eine Region, die ich bislang etwas vernachlässigt habe, künftig aber sicher häufiger besuchen werde.

Drei Bünde, drei Sprachen

Graubünden liegt im Südosten der Schweiz und erstreckt sich auf einer Fläche von 7105 km2, das ist ein Sechstel des Schweizer Staatsgebiets. Der Kanton ist in elf Regionen aufgeteilt: Albula, Bernina, Engiadina Bassa/Val Müstair, Imboden, Landquart, Maloja, Moesa, Plessur, Prättigau/Davos, Surselva und Viamala.

Das Kantonswappen zeigt die Wappen der ehemaligen «Drei Bünde», aus denen der Kanton 1803 entstanden ist: Oben links ist das Wappen des «Grauen Bundes», oben rechts das des «Zehngerichtenbundes» und unten jenes des «Gotteshausbundes».

Die Amtssprachen in Graubünden sind Deutsch, Rätoromanisch (davon gibt es 5 Idiome) und Italienisch. Gemäss einer Umfrage aus dem Jahr 2021 gaben 73,4 % der Befragten Deutsch als Hauptsprache an, 14,3 % Rätoromanisch und 13,5 % Italienisch. Vor etwa 200 Jahren sprachen noch rund 50 Prozent der Bündner Bevölkerung Rätoromanisch.

Übersichtskarte der Sprachregionen im Kanton Graubünden

Höhen und Tiefen

Graubünden ist eine typische Gebirgs- und Hochlandregion. Rund 90 Prozent des Bündner Bodens liegen über 1200 m ü. M. Die mittlere Höhe des Kantons beträgt 2100 m, womit Graubünden alle Regionen des Alpenbogens übertrifft.

Der höchste Punkt des Kantons ist der Piz Bernina mit 4049 m ü. M. Es ist der einzige Viertausender in Graubünden. Doch auch wenn alle anderen Gipfel niedriger sind, sind sie nicht weniger spektakulär. Dazu gehören unter anderem der Piz Palü (3900 m), der Piz Buin (3312 m), der Piz Kesch (3418 m), das Rheinwaldhorn (3402 m) oder das Zervreilahorn (2898 m), das man wegen seiner Form auch «Bündner Matterhorn» nennt.

Wo es hohe Berge gibt, gibt es häufig auch Gletscher – oder «vadret», wie sie auf Rätoromanisch heissen. In Graubünden sind es 144. Sie bedecken knapp 2,5 Prozent der ganzen Kantonsfläche. Zu den bekanntesten gehören neben den Gletschern Tschierva, Roseg und Ota der Morteratsch- und der Persgletscher. Die letzten beiden bedecken zusammen eine Fläche von 16 km2 und gehören damit zu den grössten Gletschern der Alpen. Noch, muss man leider sagen, denn seit 1999 schmilzt der Morteratsch mit einer Geschwindigkeit von etwa 40 Metern pro Jahr.

Die höchstgelegene Gemeinde im Kanton Graubünden ist Avers auf 1963 m ü. M., die Siedlung Juf liegt sogar auf 2126 m ü. M. und ist die höchstgelegene dauerhaft bewohnte Siedlung der Alpen mit derzeit etwa 30 Einwohnern. Der niedrigste Ort ist San Vittore in der Region Moesa. Der kleine Ort an der Grenze zum Tessin liegt auf gerade mal 279 m ü. M. – also 3770 Meter tiefer als der höchste Punkt des Kantons und 1847 Meter tiefer als der höchstgelegene bewohnte Ort.

Bündner Wasser in drei Meeren

In Graubünden gibt es neben 937 Berggipfeln und 150 Tälern auch 1038 Seen. Besonders schön finde ich die Engadiner Seenplatte zwischen St. Moritz und Maloja. Dazu kommen viele Bäche, Flüsse, Wasserfälle und Schluchten, die landschaftlich einmalige Szenerien geschaffen haben, wie zum Beispiel die Via Mala oder die Rheinschlucht.

Von Graubünden aus fliessen die Gewässer in drei Meere: Der Rhein mündet bei Rotterdam in die Nordsee, der Inn fliesst über die Donau ins Schwarze Meer und die Flüsse aus dem Misox, Bergell, Puschlav und dem Val Müstair in die Adria. Ihren Ursprung haben die Gewässer alle auf dem Lunghin-Pass auf 2644 m ü. M. Es ist der wichtigste Wasserscheidepunkt des europäischen Festlands (ausserhalb Russlands).

Wandern und Biken in Graubünden

Graubünden ist sowohl im Frühling, Sommer und Herbst als auch im Winter ein wahrer Spielplatz für Naturliebhaber. 11’000 km einheitlich signalisierte und gut gepflegte Wanderwege erschliessen die vielfältige Landschaft. 100 Kilometer davon führen durch den Schweizerischen Nationalpark – quasi ein Wanderparadies im Wanderparadies. Zudem gibt es 72 Berghütten in Graubünden, 42 davon werden vom SAC betrieben.

Auch für Biker ist Graubünden ein kleines Paradies: 4000 km Mountainbike-Wege sind ausgeschildert, insgesamt kann man aber auf 17‘000 km fahren, da fast jeder Weg in Graubünden auch für Fahrradfahrer freigegeben ist. Und das Miteinander auf diesen Wegen klappt meistens erstaunlich gut. Dazu beigetragen hat sicherlich auch die im Herbst 2019 lancierte «Fairtrail»-Initiative, mit der bei Wanderern und Bikern für gegenseitige Toleranz geworben wird.

Im Winter warten rund 2200 km Pisten in über 40 Skigebieten auf die Wintersportler. Und die 1700 Loipenkilometer machen Graubünden zur grössten Langlauf-Region der Schweiz. Neben Skifahren und Langlaufen kann man in Graubünden im Winter auch Eisklettern, Schlitteln, Schneeschuhlaufen, Winterwandern und vieles mehr.

Das Wappentier von Graubünden

Wer an Graubünden denkt, denkt automatisch auch an ein ganz bestimmtes Tier: Den Steinbock (rätoromanisch: «capricorn»). Dass er heute dort überhaupt zu finden ist, ist nicht selbstverständlich. Um 1650 war er in Graubünden nämlich ausgerottet. Grund dafür war, dass ihn die Menschen damals als wandelnde Apotheke betrachteten. Seine geringe Scheu und der Glaube des Menschen an die wundersame Heilwirkung von Steinbockpräparaten wurden ihm zum Verhängnis. Anfang des 19. Jahrhunderts war der Steinbock dann in der gesamten Schweiz ausgerottet.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts haben Wilderer Steinbockkitze aus der Region Gran Paradiso in Norditalien in die Schweiz geschmuggelt, weil der italienische König Vittorio Emanuele III keine davon freiwillig an die Schweiz abtreten wollte. Der Tierpark Peter und Paul in St.Gallen startete darauf ein weltweit einzigartiges Zuchtprogramm. 1920 wurden dann erstmals im Nationalpark in Graubünden Tiere aus dieser Zucht ausgesetzt. Heute leben dort rund 300 Steinböcke, gesamtschweizerisch dürften es um die 17‘000 sein.

Der Steinbock gehört zu den sogenannten «Big Five der Alpen», die in Graubünden leben. Dazu gehören auch Rothirsche, Gämsen, Bartgeier und natürlich Murmeltiere – oder auf Rätoromanisch «Muntanellas». Und auch Wölfe, Luchse, Füchse und Bären leben in Graubünden.

Insgesamt besticht der Kanton mit einer ausgesprochen grossen Artenvielfalt. 2264 Tierarten sollen dort ihre Heimat haben. Bei den meisten Tierartengruppen kommen gemäss dem kantonalen Amt für Natur und Umwelt weit über 50 Prozent der schweizweit bekannten Arten vor. Bei den Fledermäusen, Reptilien, Tagfaltern und Libellen sind es teilweise mehr als 80 Prozent, bei den Säugetieren (ohne Fledermäuse) gar mehr als 90 Prozent.

Apropos Säugetiere: Es gibt noch ein weiteres bekanntes Tier aus und in Graubünden. Und auch das trägt Hörner: Die Bündner Strahlenziege. Diese Gebirgsziegenrasse hat ihren Ursprung in der Surselva. Ihren Namen hat sie von den weissen Flecken am Kopf, die im Bündner Dialekt «Strahlen» bzw. auf Rätoromanisch «strala» genannt werden.

Bündner Gaumenfreuden

Ich liebe die Küche in Graubünden! Zu meinen Favoriten gehören neben der Gerstensuppe auch Plain in Pigna (eine Engadiner Ofenrösti), Maluns (ein einfaches Bauerngericht aus Katroffeln und Mehl) und Capuns. Letztere schmecken am besten zwischen Mai und September, weil dann der Schnittmangold, in den die Capuns eingewickelt werden, Saison hat.

Hier findest du Rezepte für Capuns und weitere typische Bündner Gerichte.

Weitere Gaumenfreuden aus Graubünden sind die Nusstorte (die von meiner Mutter schmeckt übrigens am besten 😊), Birnbrot, Bütschella (Hefebrötchen mit Rosinen), die Fideriser Torte (ähnlich einer Linzer Torte), Puschlaver Ringbrot, Tatsch (ähnlich wie Kaiserschmarren) oder Pizzocheri, die köstlichen Buchweizen-Bandnudeln aus dem Puschlav. Und nicht zu vergessen: Röteli! Mit diesem Kirschlikör wird in Graubünden an Silvester traditionell angestossen. Er schmeckt aber auch unterm Jahr …

Unterm Jahr schmecken auch die (Berg-)Biere, die in Graubünden gebraut werden. Ob im Engadin oder im Bündner Rheintal – überall im Kanton sind kleinere Brauereien zu finden, die mit viel Kreativität und Innovationsgeist regionales Bier brauen. Einige davon gehören zu den höchstgelegenen Brauereien Europas:

  • Biera Engiadinaisa in Martina (1035 m ü. M.)
  • Davoser Craftbier (gebraut auf 1560 m ü. M.)
  • Brauerei BierVision in Davos-Monstein (1619 m ü. M.)
  • Brauerei Engadiner Bier in Pontresina (1805 m ü. M.)

UNESCO-Weltkulturerbe

Graubünden ist nicht nur ein riesiger Spielplatz für Outdoorfreunde, sondern auch ein Ort mit reicher Geschichte und Kultur. Dazu gehören drei UNESCO-Welterbestätten: Die Tektonikarena Sardona, das Kloster St. Johann in Müstair und die Albula- und Berninalinie der Rhätischen Bahn. Die spektakuläre Bahnstrecke führt entlang zahlreicher Galerien und durch unzählige Tunnel von Thusis nach St. Moritz und von dort über den Berninapass ins italienische Tirano.

Auch architektonisch hat Graubünden einiges zu bieten: Beispielsweise die Steinkirche in Cazis, das Segantinmuseum in St.Moritz, die Therme 7132 des bekannten Architekten Peter Zumtor in Vals oder der Palazzo Castelmur in Coltura bei Stampa.

Genau so schön sind aber auch die vielen gut erhaltenen Walsersiedlungen im Prättigau, der Surselva oder in der Region Viamala, die herrlichen Palazzi in Poschiavo und im Bergell oder die alten Engadiner Häuser, wie es sie beispielsweise in Zuoz gibt, einem der besterhaltensten Engadiner Dörfer.

Ausserdem gibt es in Graubünden eine grosse Anzahl von Burgen, darunter das Schloss Tarasp und die Burg Rätia Ampla in Riom. Und im Domleschg gibt es sogar einen speziellen Burgenweg.

Der rund 16 Kilometer lange Weg führt entlang imposanter Burgen und Burgruinen von Thusis über Sils i. D., Fürstenau, Pratval, Paspels und Tomils nach Rothenbrunnen. Der Weg ist gut markiert und nicht sonderlich anspruchsvoll und kann auch mit leichten Schuhen gemacht werden. Schatten ist auf dieser Tour allerdings Mangelware, weshalb man die Wanderung am besten im Frühling oder Herbst macht.

Und bei Regen?

Klar, eigentlich gibt es bei Outdoor-Freunden ja kein schlechtes Wetter, sondern nur die falsche Kleidung. Aber sollte es doch einmal Katzen hageln in Graubünden, dann empfiehlt sich ein Besuch in einem der rund 90 Museen des Kantons. Zu den bekanntesten gehören das Kirchner Museum in Davos, das sich dem Werk des Expressionisten Ernst Ludwig Kirchner widmet, das Segantini Museum in St. Moritz mit Gemälden von Giovanni Segantini und das Bündner Kunstmuseum in Chur, das in einer historischen Villa untergebracht ist.

Quellen: Historisches Lexikon der Schweiz HLS, Kanton Graubünden, Schweizerischer Nationalpark, Graubünden Ferien, suedostschweiz.ch, Geoinfo-Portal Graubünden, Wikipedia, ProSpecieRara, Schweizer Alpen-Club SAC


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