Die beliebtesten Freizeitaktivitäten in der Schweiz sind Wandern und Velofahren. Zu letzterem gehört auch das Mountainbiken, das immer mehr an Bedeutung gewinnt und folglich zu immer mehr Verkehr auf Wanderwegen und zu Konflikten zwischen Wanderern und Mountainbikern führt. Wo das Mountainbiken in der Schweiz erlaubt ist, wie man Konflikte vermeidet und welcher Kanton beim friedlichen Miteinander zwischen Wanderern und Bikern eine Vorreiterrolle einnimmt, erfährst du in diesem Blogbeitrag.
Gemäss Art. 43 Abs. 1 des Strassenverkehrsgesetzes dürfen Wege, die sich für den Verkehr mit Motorfahrzeugen oder Fahrrädern nicht eignen oder offensichtlich nicht dafür bestimmt sind, wie Fuss- und Wanderwege, mit solchen Fahrzeugen nicht befahren werden. Diese Regel ist für die ganze Schweiz gültig und auch ohne Signalisation verbindlich. Mountainbiker müssen also grundsätzlich auf allen Wegstrecken beurteilen, ob sich der Weg für das Befahren eignet.
Als geübter Mountainbiker weiss ich, dass man sich mehrheitlich für ein Befahren eines Weges entscheidet, wenn er technisch machbar ist und Spass verspricht. Allerdings bin ich auch Wanderer und als solcher weiss ich auch, dass es ziemlich nervig sein kann, wenn man auf schmalen Bergwegen alle paar Minuten auf (rücksichtlose) Biker trifft und Platz machen muss.

Zuletzt hatte ich als Wanderer diesen Sommer zwischen Diavolezza und dem Bernina Hospiz ein paar unschöne Begegnungen mit Mountainbikern – und zwar mit Bio-Bikern und E-Bikern gleichermassen. Kurz vor dem Hospiz kam es sogar fast zu einem Zusammenstoss, weil ein Biker an einer unübersichtlichen Stelle eine Bikerin überholte, die extra für uns angehalten und Platz gemacht hat. Ich konnte mir ein paar nicht ganz jugendfreie Worte nicht verkneifen, als er uns grinsend fast über den Haufen gefahren hat. Die grosse Mehrheit der Biker verhielt sich aber vorbildlich, das muss an dieser Stelle auch erwähnt werden.
Wie vermeidet man Konflikte?
Eine 2021 von der «International Mountain Bicycling Association – Schweiz» durchgeführte Umfrage hat ergeben, dass sich die meisten Konflikte mit Wanderern auf Wanderwegen ergeben. Zurückzuführen sind diese gemäss dem Bundesamt für Strassen ASTRA vor allem auf fehlende Rücksichtnahme und mangelndem gegenseitigem Verständnis. Probleme entstehen zudem wegen häufig erzwungenem Ausweichen oder weil Wanderer von Mountainbikerinnen überrascht werden.
Dabei könnte eine friedliche Koexistenz relativ einfach sein, wenn sich alle Beteiligten an ein paar grundlegende Regeln halten würden:
Wanderer …
- benutzen nach Möglichkeit die für sie signalisierten Wege (Sicherheit, Schutz des Naturraums)
- lassen Velofahrerinnen und Mountainbiker passieren, ohne deren Fahrt unnötig zu behindern
Mountainbiker …
- benutzen nach Möglichkeit die für sie bezeichneten Wege
- fahren vorausschauend und machen sich rechtzeitig bemerkbar (z. B. Fahrradglocke)
- reduzieren das Tempo, wenn sie sich Wanderer nähern oder in Situationen, wo Wanderer anwesend sein könnten
- lassen Wanderern den Vortritt
- nehmen Rücksicht auf die Beanspruchung der Wege, indem sie rücksichtsvoll und schonend fahren (z. B. keine Bremsspuren auf Natur-/Kieswegen)
- beachten die Signale (z. B. Schieben)
- respektieren die Rechte der Grundeigentümer (z. B. keine Fahrt abseits von bestehenden Wegen)
Unterschiedlich strenge Auslegung
In der föderalistisch aufgebauten Schweiz liegt es in der Kompetenz der Kantone, ihre Wege für das Mountainbiken freizugeben oder eben nicht. Im Kanton Appenzell-Innerrhoden ist das Biken beispielsweise sehr eingeschränkt. So dürfen sich Biker nur auf den dafür ausgeschilderten Pfaden aufhalten. Im Kanton Graubünden sieht man das schon seit längerer Zeit etwas lockerer. Wobei auch dort ausdrücklich festgehalten wird, dass Fussgänger auf gemeinsam genutzten Wegen immer den Vortritt geniessen.

Seit Herbst 2019 wirbt der Kanton Graubünden zudem mit der Kampagne «Fairtrail» für Toleranz und ein entspanntes Miteinander von Bikern und Wanderern. Bergwelt hat mit Luzi Bürkli, Leiter Unternehmenskommunikation von Graubünden Ferien über dieses Thema gesprochen.
Luzi, was gab den Ausschlag, 2019 die Aktion Fairtrail ins Leben zu rufen?
Graubünden ist bekannt für einen – in der Regel – offenen und freundlichen Umgang auf Wanderwegen und Trails. Zur Pflege des Zusammenlebens trugen auch die in früheren Jahren lancierten Projekte des Kantons graubündenBIKE, graubündenHIKE und graubündenE-MTB bei. Um die guten Rahmenbedingungen zu wahren und auszubauen, wurde 2019 an einem Workshop verschiedenster Interessenvertretenden «Fairtrail Graubünden» ins Leben gerufen. Das Ziel war und ist es, mit der Sensibilisierung aller Wegnutzenden mögliches Konfliktpotential zu verhindern. «Fairtrail Graubünden» wirbt mit einer guten Portion Bündner Humor für einen respektvollen Umgang aller auf Wanderwegen und Trails.
Wie ist Graubünden Ferien zufrieden mit dem bisherigen Verlauf der Aktion?
«Fairtrail Graubünden» kann als Erfolg bezeichnet werden. Wir sind sehr zufrieden mit der Aktion und unterstützen diese aktiv zum Beispiel mit unserem Testimonial, dem zehnfachen MTB-Weltmeister und Olympiasieger Nino Schurter.
Gibt es Rückmeldungen von Bikern/Wanderern auf die Fairtrail-Kampagne? Wie sind diese?
Ja. Es gibt jährliche Gästebefragungen unter allen Wegnutzenden. Die verschiedenen Massnahmen der Fairtrail-Kampagne werden zum überwiegenden Teil als sehr positiv und wichtig empfunden. Die Erfahrungen von Wandernden und Bikenden untereinander scheinen mehrheitlich positiv zu sein. Der Grossteil der Befragten konnte sich 2022 an keine Konflikte erinnern.
Wie hat sich die Situation mit den E-Bikes verändert?
Tatsächlich haben auch E-Bikes zu einer Zunahme der Frequenzen in den Bergen geführt. Auch diese Gäste werden im Rahmen von «Fairtrail Graubünden» angesprochen. Mit dem Projekt graubündenE-MTB war dieser Nutzergruppe von 2017 bis 2020 ein spezielles Kantonsprojekt gewidmet. Es wurden unter anderem Fahrtechnikkurse angeboten, Bike Guides geschult und Videos zu Verhaltensregeln realisiert.
«E-Bikende wurden als Störfaktor empfunden.»
Hat sich mit der zunehmenden Zahl der E-Biker auch die der Konflikte und Unfälle erhöht?
E-Bikende wurden in der Fairtrail-Befragung im Gelände 2022 als zunehmender Störfaktor empfunden. Kritisiert wurden technisches Unvermögen und rücksichtsloses Verhalten. Die Suva-Unfallstatistik zeigt für das Corona-Jahr 2020 eine Zunahme aller MTB-Unfälle. Beim Kantonsspital Graubünden sind die Zahlen seit 2020 stabil bzw. konstant.
Wird die Aktion Fairtrail noch weiterentwickelt? Wenn ja, in welcher Form?
Ja, Aktuell werden die Grundlagen für eine Fortsetzung der Kampagne ab 2024 erarbeitet. Neu soll der Fokus der Kampagne auf die Natur und Umwelt ausgerichtet werden.
Zur Fairtrail-Kampagne von Graubünden Ferien gehören auch die sogenannten Fairdinands, die die Einhaltung der Regeln kontrollieren und vor Ort Besucherinnen und Besucher für mehr Respekt zwischen den Nutzergruppen sensibilisieren. Jeweils zwischen April und Oktober sind Fairdinands aus der IG Bike-Guides, dem Verband Wanderleiter, weitere Erfahrene aus der Wander- und Bikerszene, wie auch Ranger an verschiedenen Orten im Kanton Graubünden unterwegs.
E-Mountainbikes: Fluch oder Segen?
Da ich keinen Führerschein habe, fahre ich bereits seit jeher Velo oder nutze die öffentlichen Verkehrsmittel. Nachdem ich fast 30 Jahre lang mit einem normalen Mountainbike unterwegs war, habe ich mir 2020 ein E-Mountainbike zugelegt. Und zwar nicht nur als ÖV-Ersatz während der Corona-Pandemie, sondern auch als privates, sportliches und berufliches Haupt-Fortbewegungsmittel, mit dem ich auch im Hochsommer zu geschäftlichen Terminen fahren kann, ohne komplett verschwitzt dort anzukommen, mich sportlich verausgaben oder den schweren Wochendeinkauf transportieren kann.
Unter dem Strich bin ich heute weitaus häufiger mit dem Bike unterwegs als früher – eigentlich bin ich fast nur noch zu Fuss und mit dem Bike unterwegs. Für mich ist das E-Bike daher ganz klar ein Segen. Wird man als Wanderer aber von unsicheren «Wochenend-E-Bikern» fast über den Haufen gefahren, ist es verständlicherweise eher Fluch.

Ist E-Biken überhaupt Sport?
Wenn man ein Fully hat und damit umgehen kann, dann ganz klar ja. 😉 Viele meiner (jüngeren) Kollegen sehen das anders. Ich muss mir oft Sprüche anhören, die vor allem mit meinem Alter (ich habe Jahrgang 1969) zu tun haben. Einen Kräftevergleich auf einem knackigen Uphill Trail wollte aber dennoch bislang keiner von ihnen wagen.
Dass E-MTB-Fahren durchaus Sport ist, bestätigt übrigens auch Nicole Göldi, die derzeit erfolgreichste E-Mountainbikerin der Schweiz. Die 21-Jährige ist zweifache E-MTB-Weltmeisterin und fuhr davor Cross-Country-Rennen auf konventionellen Mountainbikes.
«Der Durchschnittspuls ist deutlich höher!»
Göldi sagt, dass E-MTB-Rennen, bei denen zum Aufstieg oft Trails gefahren werden, die klassische Mountainbiker in Cross-Country-Rennen hinunterfahren, sehr hohe Anforderungen an den ganzen Körper stellen würden. Die Anstiege bei E-Mountainbike-Rennen seien nicht einfach nur kräftezehrende Rampen, sondern sehr technische Trails mit Steingärten, engen Wurzelpassagen und sogar Sprüngen. In einem solchen Rennen, verrät Göldi, sei ihr Durchschnittspuls deutlich höher als zuvor mit den weitaus leichteren klassischen Mountainbikes. Er liege bei 185, der Maximalpuls sogar bei 196.
Fazit: Egal, ob zu Fuss, auf dem normalen oder dem E-Bike: Jeder darf und soll in der Natur auf seine Weise Spass haben – vorausgesetzt, man stört dabei weder Mitmenschen noch Tiere und nimmt Rücksicht auf die Natur, in der man sich bewegt.

