Dank des gut ausgebauten ÖV-Netzes, erreicht man in der Schweiz fast jeden Wanderstartpunkt mit öffentlichen Verkehrsmitteln  – sei es mit Bahn, Bus, Schiff oder Bergbahn. Und auch wenn man sich nach den Fahrzeiten der jeweiligen Verkehrsmittel richten muss, ist man dennoch flexibler als mit dem Auto – und umweltfreundlicher noch dazu.

Meine Partnerin und ich fahren bereits seit über 20 Jahren ausschliesslich mit öffentlichen Verkehrsmitteln in die Berge. Zwar verpassen wir ab und zu mal einen Anschluss oder müssen wegen Verspätungen irgendwo länger warten als geplant, dafür stehen wir nie im Stau, zahlen weniger für die Tickets als für Benzin und die Parkplatzsuche entfällt ebenso. Kurzum: Man kommt entspannt am Ziel an und kann die Zeit, die man nicht hinter dem Steuer verbringt, sinnvoll nutzen. Sei es, um Karten zu studieren, zu lesen, zu schlafen oder um etwas zu essen.

In die Schweizer Berge mit dem ÖV - RhB-Zug nach Bergün.
Eine Fahrt mit der RhB kann auch kulinarisch ein Highlight sein.

Und wenn man ganz viel Glück hat, muss man für das Essen noch nicht einmal etwas bezahlen. Das haben wir vor ein paar Jahren in der Rhätischen Bahn (RhB) erlebt, als wir nach Davos Monstein gefahren sind, dem Ausgangspunkt unserer Weitanderung auf dem Walserweg. Ab Filisur haben Bahnbegleiter feine Bündner Spezalitäten an die Fahrgäste verteilt – und das ziemlich grosszügig. Unter anderem gabs Bündnerfleisch, Rohschinken, Käse, Nusstorte und Röteli. Leider mussten wir uns etwas beeilen, weil die Fahrt von Filisur nach Davos Monstein nur gerade 11 Minuten dauert.

Der grösste Vorteil ist meiner Ansicht nach aber, dass die Anreise zu einem Wanderstartpunkt mit dem ÖV abwechslungsreichere Routen ermöglicht – beispielsweise Gebirgsdurchquerungen und Überschreitungen mit unterschiedlichen Ausgangs- und Endpunkten.

Wanderung und ÖV kombinieren

Aber nicht nur für Gebirgstouren ist die Anreise mit dem ÖV praktischer, auch Weitwanderungen lassen sich so abkürzen. Zum Beispiel, wenn es auf einer Etappe schüttet, wie aus Kübeln oder man einfach mal einen gemütlichen «Wandertag» einlegen möchte. In den vergangenen 20 Jahren haben meine Partnerin und ich das allerdings nur einmal gemacht, und zwar auf einem Teilstück der Senda Segantini, wo wir von Savognin über Bivio, Maloja, Pontresina und die Segantinihütte nach Samedan gewandert sind.

Wir waren im Oktober unterwegs und die Wettervorhersagen haben zwar kaltes, aber dennoch schönes Wetter mit leichten Schneefällen angekündigt. Grundsätzlich waren die Vorhersagen richtig, nur gab es vor dem leichten Schneefall einen Tag lang Dauerregen und dicke Wolken. Und just am diesem Tag wollten wir von Bivio über den auf rund 2300 Meter gelegenen Septimerpass nach Maloja. Bei Regen, Graupelschauer und Temperaturen fast um den Gefrierpunkt kein wirklicher Spass. Deshalb sind wir mit dem Postauto über den Julierpass hinunter nach Silvaplana gefahren und von dort aus nach Maloja gewandert.

Der Schnee kam dann übrigens einen Tag später. Die Verhältnisse für die Tour zur Segantinihütte waren aber bestens – und die Sonne war auch wieder da!

Wohin mit dem Gepäck?

Leider werden Züge mit angemessen grossen Gepäckablagen für Koffer und/oder Rucksäcke immer seltener. Heute muss man teilweise ja schon froh sein, wenn wenigstens noch eine Aktentasche in die Gepäckablage passt. Aber schon ein durchschnittlich grosser Tagesrucksack passt in den meisten Fällen nicht mehr in diese schmalen Schlitze über den Sitzen. Ich kann mich erinnern, dass wir früher sogar immer genügend Platz für unsere Kletterausrüstung hatten in den Zügen – also inklusive Helme, Exen, Seil. usw.

Innenaufnahme eines 1.-Klasse-ÖV-Waggons der SBB.
Die Gepäckablagen der SBB – kaum Platz für viel Gepäck.

Wer sich das unter den heutigen Bedingungen nicht antun will, kann das Gepäck natürlich auch bei der Bahn aufgeben. Die SBB holen das Gepäck sogar an der Haustüre ab und liefern es direkt an den gewünschten Zielort.

Oder, und das ist eigentlich die beste Idee: Man lernt, das Gepäck auf ein absolutes Minimum zu reduzieren, was gerade bei Weitwanderungen ja grundsätzlich nicht verkehrt ist. Für eine einwöchige Tour reicht meiner Partnerin und mir unterdessen jeweils ein 45-Liter-Rucksack. Ok, den bringt man auch in keine moderne Gepäckablage, aber zwischen oder unter Sitzen haben wir bislang noch immer Platz gefunden.

Regional wurde ÖV leider abgebaut

Natürlich ist auch im Bahn-Vorzeigeland Schweiz nicht alles Gold, was glänzt. So wurden bei uns in der Region in den vergangenen Jahren beispielsweise viele lokale und regionale Verbindungen zu Gunsten von überregionalen Verbindungen gekippt. Ich komme jetzt zwar bis zu fünf Mal pro Stunde noch schneller von St.Gallen nach Zürich (Luftlinie: 63,4 km), brauche aber seit ein paar Jahren 20 Minuten länger, wenn ich von meinem lokalen Stadt-Bahnhof aus in den Alpstein fahren will (Luftlinie: 19 km). Und diese 20 Minuten verbringe ich nicht etwa mit Zugfahren, sondern mit Warten auf einen Anschluss. Zum Glück gibt’s aber pro Stunde wenigstens noch eine Verbindung, bei der ich nur drei Minuten mit Warten verbringen muss.

Diese regionale Fahrplan-Verschlechterung hatte aber auch etwas Positives: Seit dieser Zeit fahre ich nämlich oft mit dem E-Mountainbike in den Alpstein, wenn der Ausgangs- und Zielort meiner Wanderung identisch ist. Noch sportlicher kann man fast nicht unterwegs sein. 💪😎

Spezialangebote

Wie bereits erwähnt, ist das ÖV-Netz in der Schweiz im Vergleich zu anderen Ländern aussergewöhnlich gut. Dennoch fehlt bei vielen Ausgangspunkten die Erschliessung der «letzten Meile». Diese Lücke wird in verschiedenen Regionen mit Skitouren- und Wanderbussen überbrückt bzw. geschlossen. Das ist zwar nicht ganz so klimafreundlich, wie eine Reise mit der Bahn, aber immer noch besser, als wenn alle mit dem eigenen Auto unterwegs wären.

Schneetourenbusse schliessen vieleorts die «letzte Meile». (Foto: Hugo Vincent)

Die Schneetourenbusse fahren aktuell auf acht Strecken. Im Sommer gibt es diverse regionale Wanderbusse, die die Gäste an ihre Ausgangspunkte bringen. Sowohl im Sommer als auch im Winter geschieht dies meist mit lokalen Busunternehmen.

Fazit: In der Schweiz braucht man weder im Sommer noch im Winter ein Auto, um in die Berge zu kommen.



BERGWELT ABONNIEREN

4 Kommentare zu „Mit dem ÖV in die Berge

      1. Ja definitiv, da schätzt man die meist zuverlässige SBB dann wieder um so mehr und die Postauto, die in jeden “Chrachen” fahren.

Kommentar verfassen