Winter- und Schneeschuhwandern liegen im Trend. Die verschneite Landschaft verzaubert mit ihrer Stille und Schönheit, die nur durch das Knirschen des Schnees unter den Wander- oder Schneeschuhen durchbrochen wird. Doch in dieser Idylle lauern manchmal Gefahren, die nicht auf den ersten Blick erkennbar sind. Dazu gehören sogenannte Dolinen, auch Karstlöcher genannt. Wie sie entstehen und welche Gefahr von ihnen ausgeht, erfährst du in diesem Blogbeitrag.
Der Name «Doline» stammt vom slawischen Wort «Dolina» ab, was übersetzt «Tal» bedeutet. Dolinen sind geologische Formationen, die oft als trichterförmige Vertiefungen oder Löcher in der Erdoberfläche erscheinen. Ihr Durchmesser schwankt meist zwischen 2 und 200 Metern, kann aber auch mehr als einen Kilometer betragen. Dolinen sind typischerweise in Karstlandschaften zu finden, die sich durch lösliche Gesteine wie Kalkstein auszeichnen.

In der Schweiz besteht etwa 20 Prozent der Landesfläche aus Karst. Die Karstgebiete liegen vor allem im Jura, den Voralpen und in einigen alpinen Gebieten. Neben Gebieten in den Glarner Alpen, dem Berner Oberland oder im Rätikon ist auch die Churfirsten-Region im St.Galler Toggenburg ein typisches Karstgebiet.
Unter diesen Karstgebieten befinden sich auch zahlreiche Höhlensysteme. Aktuell sind in der Schweiz rund 8000 Höhlen erfasst. Das bekannteste und grösste natürliche Hölensystem ist das Hölloch im Kanton Schwyz. Es umfasst fast 200 km Gäge und liegt damit auf Platz vier der Weltrangliste der längsten Höhlen.

Wie entstehen Dolinen?
Die Entstehung von Dolinen ist ein komplexer Prozess, der sich über lange Zeiträume hinzieht. Er beginnt mit der Versickerung von Niederschlagswasser in den Boden. Dieses Wasser ist leicht sauer und enthält Kohlensäure, was dazu führt, dass es den Kalkstein langsam auflöst. Dieser Prozess kann einige Jahre aber auch Jahrhunderte dauern.

Durch die Auflösung des Gesteins entstehen mit der Zeit Hohlräume im Untergrund. Wenn diese gross genug werden, kann die darüber liegende Erde einbrechen, was zur Bildung einer Doline führt. Diese Hohlräume können auch miteinander verschmelzen und sich vergrössern.

Die Gefahren von Dolinen im Winter
Zwischen 2004 und 2021 wurden gemäss dem Schweizer Alpen-Club (SAC) 35 Unfälle im Zusammenhang mit Karstlöchern dokumentiert, vier davon endeten tödlich. 13 Unfälle ereigneten sich auf Skitouren, beim Schneeschuhwandern oder Freeriden, die restlichen beim Bergwandern.
In einem Interview habe ich einmal gesagt, dass Dolinen im Winter ähnlich gefährlich sein können, wie Gletscherspalten im Hochgebirge. Und zwar aus demselben Grund: Man sieht sie oft nicht. Ich würde sogar behaupten, dass sie gefährlicher sind, weil man im Gegensatz zu einer Gletschertour auf einer Winterwander- oder Schneeschuhtour in der Regel nicht angeseilt ist – und oft auch alleine unterwegs. Beides kann im Falle eines Sturzes in eine Doline tödlich enden.

Folgende Gefahren bestehen im Winter in Karstgebieten:
1. Einbruchgefahr
Im Winter ist die Schneedecke oft tief und die Dolinen können unter einer scheinbar harmlosen Schneedecke verborgen sein. Wenn man in eine Doline tritt, kann dies zu einem gefährlichen Einbruch und Verletzungen führen. Zudem kann die Rettung aus Dolinen schwierig sein, weil die Tiefen der Dolinen oft nicht abzuschätzen sind.
2. Unsichtbare Hohlräume
Unter der Schneedecke sind die Hohlräume, die zur Bildung von Dolinen geführt haben, weiterhin vorhanden. Diese unsichtbaren Hohlräume können einstürzen, wenn ihr Gewicht nicht mehr getragen wird, was zu gefährlichen Situationen führen kann. Gerät man in einen solchen Bereich, könnte man in einen Hohlraum fallen, was zu Verletzungen oder sogar zum Verschwinden führen könnte.

3. Veränderte Sichtverhältnisse
Die winterliche Schneedecke kann die Sicht auf die Umgebung stark beeinträchtigen. Dies macht es schwierig, Dolinen frühzeitig zu erkennen und auszuweichen. Auch die Orientierung kann in solchen Gebieten schwierig sein, da viele markante Landmarken unter dem Schnee verborgen sind.
4. Schneebrücken
Schneebrücken sind eine weitere Gefahr, die in der Nähe von Dolinen im Winter auftreten kann. Dies sind dünne Schichten von Schnee, die über den Hohlräumen oder Dolinen liegen. Sie können trügerisch stabil aussehen, aber in Wirklichkeit sind sie oft nicht tragfähig und können leicht brechen, wenn man darauf tritt.
Dolinen auf Karte erkennen
Die gute Nachricht: Man kann Dolinen auf Landkarten erkennen. Die schlechte: Die wirklich gefährlichen sind darauf nicht zu sehen, weil dort in der Regel nur solche ab einer Breite von zehn Metern eingezeichnet sind. Gefährlich sind aber, wie bereits erwähnt, die kleineren Dolinen, die man oft nicht mehr sieht, wenn Schnee darauf liegt!
Auf der nachfolgenden Grafik siehst du einen Ausschnitt aus einem typischen Karstgebiet im Toggenburg. Die eingekreisten Symbole zeigen die Standorte der (grossen) Dolinen. Ob es in der Nähe dieser Dolinen weitere, kleinere Exemplare gibt, ist nicht zu erkennen.

Es gibt sie aber. So wie auf dem folgenden Bild sieht die Gegend dort nämlich aus. Liegt dort Schnee, sind die meisten Spalten und Dolinen kaum oder gar nicht mehr zu erkennen.

Sicherheitsmassnahmen im Winter
Wenn du im Winter in einem Karstgebiet wanderst, ist es wichtig, einige Sicherheitsmasnahmen zu beachten:
Im Voraus informieren
Recherchiere die geologischen Merkmale der Region, in der du wandern wirst. Informiere dich über die Standorte von Dolinen und ihre möglichen Gefahren.
Auf markierten Wegen bleiben
Verlass nicht die markierten Wanderwege und -pfade. Diese sind oft so angelegt, dass sie gefährliche Bereiche umgehen.
Vorsicht bei Schneebrücken
Sei äusserst vorsichtig, wenn du auf Schneebrücken triffst. Vermeide es, über sie zu gehen, wenn du nicht sicher bist, ob sie sicher sind.
Nicht alleine auf Tour gehen
Es muss nicht ein Sturz in eine Doline sein, die dich daran hindert, Hilfe zu rufen. Ein verknackster Knöchel oder ein leerer Handy-Akku können bereits ausreichen. Deshalb solltest du immer mindestens zu zweit auf eine Winterwanderung gehen.
Sicherheitsausrüstung & Proviant
Trage angemessene Ausrüstung. Mehr dazu erfährst du hier. Ebenso wichtig ist im Winter, dass du genügend Proviant und ein heisses Getränk in deinen Rucksack packst, weil im Winter viele Berggasthäuser geschlossen sind.
