Gastartikel von Anja Dommel |

Das Matterhorn. Als einer der bekanntesten Berge Europas thront die Felspyramide inmitten der Alpen. Es ist wohl vor allem seiner Grösse und der charakteristischen Form zu verdanken, dass das Matterhorn zu einer der meistfotografierten Touristenattraktionen der Schweiz zählt. Der pyramidenförmige Gipfel ist das unverkennbare und weltbekannte Schweizer Wahrzeichen.

Als Künstlerin lade ich dich in diesem Artikel herzlich dazu ein, diesen berühmten Berg einmal aus einem etwas anderen Blickwinkel zu betrachten: Denn du stimmst mir bestimmt zu, dass das Matterhorn nicht nur berühmt, sondern vor allem auch wunderschön ist.

Aber warum genau ist das eigentlich so? Warum finden wir Berge «schön»?

Mit den Augen wandern

Ist dir das schon einmal aufgefallen: Wenn wir in den Bergen stehen – oder ein Foto davon ansehen – wandert unser Blick automatisch am Umriss der Grate und Gipfel entlang. Es ist einfach schön, aus der Ferne den Blick schweifen zu lassen. Wir können gedanklich auf der einen Seite bis zum Gipfelkreuz hinaufsteigen und auf der anderen Seite wieder hinuntergehen. Und bekommen direkt Lust, den Rucksack zu packen und uns auf den Weg zu machen.

Das schneebedeckte Matterhorn

Eine Welt voller Kontraste

Der Schweizer Maler und Kunsttheoretiker Johannes Itten (1888 – 1967) machte zu seinen Lebzeiten eine interessante Entdeckung: Wo besonders helle und dunkle Flächen aufeinandertreffen, entsteht ein auffälliger «Hell-Dunkel-Kontrast». Was dieser bei uns Menschen bewirkt, lässt sich vor Allem in den Bergen gut beobachten: Die Abwechslung von hellen und dunklen Flächen in der Landschaft erzeugt ein Gefühl von Dynamik und Spannung.

Ich kann mir gut vorstellen, dass sich Herr Itten damals auch das Matterhorn ganz genau angesehen hat. Es ist ein Paradebeispiel für den von ihm erforschten Hell-Dunkel-Kontrast: Aus dem richtigen Winkel betrachtet, treffen die von der Sonne hell angestrahlte und dunkle Schattenseite markant aufeinander. Dieser Kontrast lässt den Berg besonders dreidimensional wirken und trägt massgeblich zur Ästhetik und zum Wiedererkennungswert des Matterhorns bei.

Hinzu kommt ein harmonisches Zusammenspiel aus scharfen, harten und unscharfen, weichen Formen. Bestimmt ist dir schon einmal aufgefallen, dass der Gipfel des Matterhorns oft von einer Wolke begleitet wird: Die «Matterhorn-Wolke» hängt wie eine zart fliessende Fahne im Wind und umspielt die schroffe Bergspitze. Es ist nicht zuletzt diesem interessanten Kontrast zu verdanken, dass der Berg ein bei Malern und Fotografen so beliebtes Motiv ist.

Das Matterhorn mit Wolke und einer markanten Licht-Schatten-Grenze

Bergwelten sind ausserdem ein Paradebeispiel für «Fraktale Muster». Dieser Begriff klingt vielleicht im ersten Moment etwas sperrig. Im Austausch mit einer Umweltpsychologin hörte ich zum ersten Mal davon: Berge haben eine «selbstähnliche» Struktur. Das heisst, dass sich die gleichen Formen und Farben immer wieder in grossen und kleinen Varianten wiederholen. Unser Gehirn erkennt diese Regelmässigkeiten und empfindet sie als schön.

Das können Bäume und Sträucher sein, die hier und da vereinzelt in der Landschaft wachsen und sich an anderen Stellen zu dichten Wäldern zusammentun. Oder schneebedeckte Flächen, die sich mit kahl freiliegendem Fels abwechseln und die Berge bis hoch zum Gipfel mit einem wunderschönen Muster überziehen.

Besondere Momente

Natürlich ticken nicht alle Menschen gleich. Es gibt viele, die mit Bergen überhaupt nichts anfangen können und das Meer zum Beispiel viel schöner finden. Denn ob uns eine bestimmte Landschaft gefällt und welche Wirkung sie auf uns hat, hängt zu grossen Teilen vom Geschmack und der Persönlichkeit eines jeden Menschen ab. Wenn wir Berge, wie das Matterhorn, «schön» finden, sind also auch die besonderen Erlebnisse und Erinnerungen ausschlaggebend, die wir damit verknüpfen.

Für mich sind die Berge ein wunderschöner Sehnsuchtsort, der mir ein unbeschreibliches Gefühl von Freiheit gibt. Ganz besonders, wenn ich nach einem anstrengenden Aufstieg an einem glasklaren Bergsee ankomme! Das besondere, befreite Gefühl in so einem Moment kannst du bestimmt gut nachvollziehen.

Leider habe ich nicht das Glück, direkt in den Bergen zu leben. Das wurde mir im Sommer 2022 nach einem besonders schönen Aufenthalt in den Alpen wieder einmal schmerzlich bewusst. Auf dem Heimweg Richtung Nürnberg verdrückte ich die ein oder andere Träne, während ich die aufregenden Bergwelten hinter mir zurückliess und dem vergleichsweise unspektakulären Flachland Mittelfrankens entgegenfuhr. In diesem Moment beschloss ich, zurück im heimischen Atelier den Bergen eine Gemäldekollektion zu widmen, um die Berge zu mir nach Hause zu holen.

Berg-Kunstwerk von Anja Dommel
Als Kunstwerk werden die Berge auch daheim greifbar.

Wie du siehst, gibt es viele Gründe, warum wir die Berge «schön» finden. Bisher war dir vielleicht nicht bewusst, warum genau dir ein bestimmter Platz in den Bergen so gut gefällt. Es kann schwer sein, das in Worte zu fassen. Ich bin sicher, die Erkenntnisse aus diesem Artikel helfen dir dabei, deinen persönlichen Lieblingsplatz in Zukunft mit ganz neuen Augen zu sehen.

Über die Gastautorin

Anja Dommel

Anja Dommel ist Künstlerin und bannt Sehnsuchtsorte aus der Natur als Gemälde auf Leinwand. Auch das Matterhorn will die Künstlerin demnächst einmal in einem Kunstwerk verewigen. Du willst mehr über Anja und ihre Kunst erfahren? Dann schau auf ihrer Website vorbei: www.anjadommel.de. Du findest ihre Bilder ausserdem bei Instagram.


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