Im Rahmen des Gletscherrettungsprojekts «MortAlive» wurde diese Woche an der Talstation Diavolezza im Oberengadin zum ersten Mal die neue Schneiseil- und Ice-Stupa-Testanlage in Betrieb genommen. Mit der Anlage könnte nicht nur das Abschmelzen des Morteratschgletschers verlangsamt, sondern auch weltweit die existenzbedrohende Wasserknappheit in Gebirgsregionen gemindert werden.
Die Gletscher schrumpfen immer schneller: In den vergangenen Jahren schwand das Eis bis zu drei Mal schneller als im 20. Jahrhundert. Eine Schweizer Innovation könnte das Abschmelzen der Gletscher schon bald um etwa 50 Jahre verlangsamen und im Kampf gegen die drohende Wasserknappheit in Regionen wie dem Himalayagebirge oder den Anden eingesetzt werden. «Für mich ist das ein historischer Moment», sagte Glaziologe und Kopf von MortAlive Felix Keller nach der Inbetriebnahme der Anlage. Von ihm stammt die innovative Idee des Schmelzwasserrecyclings.

Testergebnisse sind existenziell
Die Endversion der Anlage soll dereinst ohne elektrische Energie laufen, das notwendige Wasser soll von einem höher liegenden See, der sich am Persgletscher bilden wird, kommen. Die Hochschule Luzern hat in Zusammenarbeit mit den Firmen Barholet und Bächler Top Track ein Schneiseil mit fünf Düsen entwickelt. Dies, weil herkömmliche Beschneiungsanlagen mit Lanzen aufgrund des sich bewegenden Untergrunds (Gletscher oder Permafrost) nicht eingesetzt werden können. «Solange Schnee auf dem Eis liegt, ist es geschützt. Denn Schnee reflektiert die einfallende Sonneneinstrahlung und schützt vor warmen Sommertemperaturen», erklärt Felix Keller.

Neben dem Schneiseil entsteht auch ein sogenannter Ice-Stupa. Ice-Stupas wurden im Himalaya-Gebiet in Indien erfunden und kommen dort bisher nur in Ladakh zur Bewässerung im trockenen Frühjahr zum Einsatz. Gemäss einer Studie des Wissensmagazins «Nature» sind in dieser Region rund 221 Millionen Menschen direkt und etwa 800 Millionen teilweise auf das Gletscherwasser angewiesen. Die Ergebnisse der Schnei- und Ice-Stupa-Testanlage könnten für sie also existenziell sein.
Pläne auf dem Gletscher
Während der laufenden Wintersaison führt eine Forschungsgruppe der Hochschule Luzern nun regelmässig Tests durch. «Wir müssen beobachten, wie die Düsen sich verhalten, aus denen der Schnee gesprüht wird, ob der Schnee brauchbar ist und wie sich die Mechanik bei diesen Temperaturen verhält», sagt Felix Keller. Die grösste Herausforderung ist dabei laut Keller, dass das Wasser in den Leitungen nicht gefriert.
«Wir müssen beobachten, wie sich die Mechanik bei diesen Temperaturen verhält»
– Felix Keller
Läuft alles nach Plan, könnte schon im nächsten Winter eine Anlage auf dem Corvatsch über Permafrostboden installiert werden. Felix Keller und sein MortAlive-Team sind optimistisch: «Unsere Kinder und Enkelkinder werden uns nicht fragen, ob wir gesehen haben, was mit den Gletschern passiert, sondern was wir getan oder nicht getan haben.»
Das MortAlive-Team bein Aufbau der Ice-Stupa (Bilder: Mayk Wendt)
Weitere Infos
www.mortalive.ch
www.glaciersalive.ch
www.glacierexperience.com
www.coverprojectfoundation.ch