Zuletzt aktualisiert am 11. März 2024 |

Auf 4003 Meter über Meer steht das höchstgelegene Biwak der Schweiz, auf halben Weg zum Matterhorn. Exponiert, am sturmumwitterten Hörnligrat ist die Solvay-Hütte seit Generationen die Lebensversicherung für viele Alpinisten. Am 8. August wird bei einer kleinen Feier in Zermatt sein 100. Geburtstag gefeiert.

Kaum ein anderer Berg in der Schweiz übt eine so starke Faszination auf Alpinisten aus und zieht sie in Scharen an wie das «Horu». Um die Jahrhundertwende wurde deshalb der Ruf nach einem Asyl für Bergsteiger am Hörnligrat laut. Und so wurde nach einigem Widerstand – die Zermatter Bergführer und auch das Hotel Bélvèdere am Fusse des Matterhorns fürchteten um ihre Einnahmequellen – das Biwak gebaut. Ernest Solvay, ein belgischer Unternehmer, dessen Liebe zum Hochgebirge bekannt war, finanzierte den Bau.

8000 kg Baumaterial wurde mit Hilfe einer Seilwinde über sechs Etappen auf die Baustelle in 4000 Meter Höhe gehievt. Diese Technik erlaubte es, die Solvay-Hütte in nur zwei Monaten fertigzubauen. Trotzdem war die Arbeit körperlich extrem anstrengend und kräftezehrend. Jeden Morgen stiegen die Männer von der Hörnlihütte über den Grat auf. Nur mit Nagelschuhen an den Füssen, schlugen sie bei schneidender Kälte stundenlang Stufen in Schnee und Eis. Eine Unaufmerksamkeit, ein Ausrutschen hätte den sicheren Tod bedeutet. Es grenzt fast an ein Wunder, dass es ausser einer ausgerenkten Schulter keine Unfälle gab.

Höchstes Berg-Asyl der Schweiz

Seither thront die Solvay-Hütte auf einem winzigen Felsvorsprung auf dem Hörnligrat, der meistbegangenen Route auf das Matterhorn. Kein anderes Biwak in der Schweiz liegt so hoch, was dem Biwak den Titel «Königin der Biwaks» verleiht. Mit rund 5 m Länge und 4 Meter Breite bot es 12-15 Personen sicheren Unterschlupf. Es gibt keinen Tisch, kein Bett, nur einen nackten Raum. Doch das Wesentlichste – Schutz – war garantiert.

Rettung auch für die Bergretter

Die Hütte hat seither nichts von ihrer Wichtigkeit eingebüsst – im Gegenteil. Jährlich übernachten zwischen 400 – 600 Alpinisten darin. Allerdings nur etwa 30 bis 40 davon aus einer «echten» Notlage heraus, wie es bei der Air Zermatt heisst. Eigentlich darf das Biwak nur in Notfällen im Abstieg benutzt werden. Es gibt trotzdem immer wieder Leute, die es auch benutzen, um den Aufstieg zu verkürzen, oder um die Kosten der Hörnlihütte zu umgehen. Und auch die 20 Franken, die eine Notübernachtung im Biwak kostet, bezahlen die meisten nicht.

Trotzdem will man in Zermatt nicht von Missbrauch reden. «Früher war es schlimmer», sagt Bruno Jelk, der seit 35 Jahren als Bergretter in Zermatt arbeitet. Und die Bergretter sind jedes Mal dankbar, wenn sie den Rettungseinsatz, der aufgrund des Wetters gefährlich für sie werden könnte, bei besseren Verhältnissen machen können und die Alpinisten im sicheren Unterschlupf wissen.

«Früher war es schlimmer.»

– Bruno Jelk, Bergretter aus Zermatt

Allerdings gehen die Geschichten nicht immer gut aus. Wie etwa diejenige, bei der ein Bergsteiger bei schlechtem Wetter auf dem Abstieg das Biwak bereits erreicht hat und erleichtert über die Türschwelle tritt. In diesem Augenblick stürzt sein Seilpartner, der noch die letzten Meter oberhalb der Hütte abklettert und reisst den sich vermeintlich in Sicherheit wähnenden vor den Augen der anderen Schutzsuchenden rückwärts aus der Hütte in die Tiefe.

Kleine Jubiläumsfeier in Zermatt

Doch trotz einiger tragischer Geschichten bietet das Biwak seit Generationen Tausenden von Bergsteigern Schutz und hat vielen von ihnen das Leben gerettet – und wird es auch weiter tun. Am 8. August 2017 feiert «die Königin der Biwaks» ihren 100. Geburtstag. Der SAC-Zentralverband – das Solvay-Biwak ist übrigens die einzige der 152 Hütten, die dem Verband und nicht einer Sektion gehört – organisiert eine kleine Jubiläumsfeier in Zermatt. Eine gute Gelegenheit, um dem Mäzen Ernest Solvay und seinen Nachkommen ein erneutes grosses Dankeschön auszusprechen.

Titelbild: Das Solvay-Biwak bei seiner Einweihung 1917 und heute. (Quelle: SAC)


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