Kürzlich haben meine Partnerin und ich etwas über vergangene Weitwanderungen geplaudert. Und dabei kam uns auch folgende amüsante Geschichte wieder in den Sinn, die wir im norditalienischen Bergdorf Isola erlebt haben.

Vor einigen Jahren sind wir zusammen auf der Via Spluga von Thusis nach Chiavenna gewandert. Kondition, Stimmung und Wetter waren perfekt. Am dritten Tag führte uns der Weg von Splügen über den Splügenpass nach Monte Spluga, die eindrückliche Cardinelloschlucht hinunter nach Isola. In diesem kleinen Dorf in der Lombardei gab es damals einen kleinen Krämerladen, der allerdings nur selten offen hatte, und zwei kleine Gasthäuser.

Auf dem Weg durch Isola durch die Cardinelloschlucht
Die imposante Cardinelloschlucht.

In einem dieser Gasthäuser hatten wir vor unserer Abreise telefonisch ein Doppelzimmer gebucht. Die Kommunikation mit der Dame am Telefon war nicht ganz einfach (sie sprach nur Italienisch, und das mit einem etwas eigentümlichen Dialekt), aber wir waren uns ziemlich sicher, dass bei unserer Ankunft ein Zimmer für uns zur Verfügung stehen würde.

Direkt weiter nach Chiavenna?

Angekommen sind wir dann am frühen Nachmittag in der Locanda Cardinello in Isola. Der Empfang war herzlich, aber leider unverständlich – bis zum Eintreffen des Chefs. Er begrüsste uns ebenso herzlich, und das erfreulicherweise in einem Mix aus verständlichem Italienisch und Deutsch. Und in diesem Mix erklärte er uns dann, dass er sich zwar an unsere Buchung erinnern könne, er aber trotzdem kein freies Zimmer mehr hätte in seinem Gasthaus … Benvenuti in Italia!

Ok, dachten wir uns, halb so wild. Dann hängen wir die Schlussetappe nach Chiavenna halt heute noch an. Zeit und Energie hatten wir noch genug. Doch dann erklärte uns der Chef mit neckischem Grinsen, dass er uns alternativ eine kleine Ferienwohnung zur Verfügung stellen würde. Die Zweizimmerwohnung war frisch renoviert, sehr sauber und heimelig. Sogar eine kleine Küche gab es – und eine Dusche mit Massagebrause!

Celina vor unserer Ferienwohnung in Isola
Celina vor unserer Ferienwohnung in Isola.

Nachdem wir die Massagebrause ausgiebig genutzt hatten, spazierten wir gemütlich zur Locanda zurück, um etwas zu essen. Das war so gegen 17 Uhr. Eine nette Angestellte erklärte uns dann aber, dass es erst um 19 Uhr Abendessen geben würde – und zwar für alle Gäste das gleiche. Dass es nur ein Menü gab, störte uns nicht. Wir waren ja in Italien, da kann essenstechnisch nicht allzu viel schief gehen. Blöd war nur, dass wir zwei Stunden mit leerem Magen überbrücken mussten. Ausser einem Stausee und dem dazugehörigen Kraftwerk gibt es in Isola leider keine «Sehenswürdigkeiten», die wir in der Zeit hätten besichtigen könnnen. Also bestellten wir uns lokalen Wein und setzten uns auf der Terrasse der Locanda in die Sonne.

Hirsch, Pasta & Dolci

Zwei Flaschen Wein später war es dann endlich so weit: Wir wurden in den altehrwürdigen Weinkeller der Locanda gebeten – zusammen mit einer 15-köpfigen Wandergruppe aus Norddeutschland, die offenbar auch schon das eine oder andere Glas Wein intus hatte. Und mit Wein ging es gleich weiter, spritzigem Weisswein aus der Region. Dazu gab’s Apfelküchlein in rauen Mengen. Hätten wir da gewusst, was uns danach erwartete, hätten wir bei den Apfelküchlein nicht so zugeschlagen …

Vom urigen Weinkeller ging’s nach etwa einer dreiviertel Stunde weiter in die antike Gaststube, wo typisch norditalienisch aufgetischt wurde: Erst Hirschpfeffer mit Polenta, dann verschiedene Salate, danach Pasta, gefolgt von gegrilltem Lamm-, Rind- und Kalbfleisch mit Gemüse und Kartoffelsstock. Und zum Schluss: haufenweise Dolci! Ach ja, Wein gab’s währenddessen natürlich auch nicht zu knapp. Auf den selbstgebrannten Schnaps zum Abschluss verzichteten wird dann aber dankend und machten uns reichlich überfressen und gut angeheitert gegen Mitternacht auf den Weg zu unserer Ferienwohnung.

Locanda Cardinello in Isola
Wir bekamen den Top-Platz im Lokal, direkt am Kamin.

«Wer zu spät kommt … »

Am nächsten Morgen waren wir die Letzten, die zum Frühstück kamen. Vom Frühstücksbuffet war nicht mehr viel übrig und einer aus der Norddeutschen Reisegruppe begrüsste uns mit den Worten: «Wer zu spät kommt …». Egal, wir setzen uns an einen Tisch und warteten. Und unser Warten wurde belohnt. Der Chef und seine Tochter persönlich servierten uns einen wirklich guten italienischen Kaffee, frische Brötchen, Konfitüre, Schinken, Käse, Früchte und Süssspeisen – und brachten uns danach ungefragt noch je zwei Sandwiches, Obst und Mineralwasser für die letzte Wanderetappe nach Chiavenna. Dem Blick des Kollegen aus Norddeutschland nach zu urteilen, war das Frühstücksbuffet nicht ganz so üppig wie unser persönliches Frühstück.

Entsprechend zufrieden nahmen wir nach dem Frühstück und einer herzlichen Verabschiedung die letzte Etappe nach Chiavenna unter die Füsse, wo wir noch zwei Tage lang die Italianità genossen, bevor wir mit dem Postauto wieder zurück in die Schweiz fuhren.

Die Rückreise mit dem Postauto ist übrigens landschaftlich sehr zu empfehlen: Erst geht es durchs Val Bregaglia nach Maloja und dann weiter über den Julierpass nach Bivio, Savognin und Tiefencastel nach Thusis, wo wir eine Woche zuvor gestartet waren.

Blick auf die Altstadt von Chiavenna
Chiavenna – der Zielort der Via Spluga.

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