Zuletzt aktualisiert am 16. Dezember 2020 |

Um eine dritte Corona-Welle abzuwenden, fordern Deutschland, Frankreich und Italien, dass in Europa die Skipisten bis im Januar geschlossen bleiben. In Österreich wird diese Forderung scharf kritisiert. Der aktuelle Vorschlag bedeute für Österreich empfindliche wirtschaftliche Einbussen, sagte Finanzminister Gernot Blümel. Sollte die EU tatsächlich die Vorgabe machen, dass Skigebiete geschlossen bleiben müssen, fordert er eine Kompensation in Höhe von zwei Milliarden Euro.

In der Schweiz hat Bundesrat Alain Berset diese Woche verkündet, dass die Skigebiete hierzulande offen bleiben können. Gleichzeitig forderte er aber, dass die Schutzkonzepte «sehr stark verbessert» werden. Berset will die Skiorte dazu bringen, Menschenansammlungen zu verhindern. So sollen Gondeln beispielsweise weniger Leute transportieren und Restaurants früher schliessen. Auch ist die Rede von einer Reduktion der Kapazitäten der Skigebiete um 40 Prozent. Gemäss der Sonntagszeitung ist Bersets Forderung auch auf Druck von aussen entstanden. Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga hat zu diesem Thema in den vergangenen Tagen offenbar Anrufe aus Paris, Rom und Berlin erhalten.

400 Mio. Franken Verlust pro Woche

Stehen die Bergbahnen in der Schweiz still, sind die Ferienorte in den Bergen verwaist. Bei einem Pisten-Lockdown rechnet der Branchenverband Seilbahnen Schweiz (SBS) mit einem Umsatzausfall von durchschnittlich 400 Millionen Franken pro Woche. Für die Weihnachtsperiode, in der 30 Prozent des Winterumsatzes erwirtschaftet werden, stehen gemäss SBS-Direktor Berno Stoffel 225 Millionen Franken allein für die Bergbahnen und insgesamt 1,8 Milliarden Franken Winterumsatz in den Tourismusdestinationen auf dem Spiel.

Die Forderung nach einer Schliessung der Skigebiete sei deshalb unverhältnismässig, sagte Stoffel gegenüber dem Blick. Die Destinationen seien vorbereitet und würden die Schutzkonzepte konsequent anwenden. Bilder von dicht gedrängten Wintersportlern an den Talstationen von Gstaad und Zermatt, die kürzlich in den Medien zu sehen waren, seien nur Momentaufnahmen gewesen. Man habe das Problem unterdessen im Griff, so Stoffel weiter.

Konkret habe man die Wartezonen verlängert, sodass alle den vorgeschriebenen Abstand einhalten könnten. Die Bergbahnen hätten zusätzliches Personal eingestellt, um Ansammlungen zu entzerren. Dort, wo die Verlängerung der Warteschlange auf Trottoir und Strasse hinausgehe, nehme die Polizei diese Kontrollaufgabe wahr. Man arbeite dafür eng mit der Polizei zusammen, erklärte Stoffel.

Sicherer Skisport sei möglich

In der Schweiz haben einige Skigebiete den Betrieb bereits aufgenommen und wollen offen bleiben. Dazu gehören unter anderem Andermatt, Arosa-Lenzerheide, Davos-Klosters, Flims-Laax, Crans Montana, Verbier oder Zermatt. Rudolf Hauri, Präsident der Vereinigung der Kantonsärztinnen und -Ärzte, ist überzeugt davon, die Situation kontrollieren zu können. Er schreibt: «Die Schutzkonzept-Grundlagen von Seilbahnen Schweiz mit einer Schutzmaskenpflicht in und auf den Bahnen sowie in den Anstehbereichen bildet eine gute Grundlage für sicheren Wintersport. Je nach epidemiologischer Entwicklung und den ersten Erfahrungen nach dem Saisonstart muss allenfalls nachjustiert werden.» Sicherer Wintersport sei möglich, wenn alle mitmachen.

Zwar teile ich persönlich Hauris Ansicht grundsätzlich, doch dass alle mitmachen, halte ich für illusorisch. Denn auch wenn die Restaurants früher geschlossen werden sollten und Après-Ski-Partys untersagt werden, wird es im privaten Bereich mit Sicherheit zu maskenlosen feucht-fröhlichen Partys kommen, an denen sich Menschen (zu) nahe kommen werden. Allerdings wird es solche Partys auch dann geben, wenn die Skigebiete geschlossen werden müssen – dann halt einfach nicht in Davos, Gstaad oder St.Moritz, sondern in Zürich, Frauenfeld oder Lausanne.

Der Branche eine Chance geben

Ein Grossteil der Gastronomie in der Schweiz hat im Sommer und Herbst bewiesen, dass sie in der Lage ist, Schutzkonzepte umzusetzen und auch durchzusetzen. Insbesondere auch in den Bergregionen, wo das machnmal noch schwieriger war, als in der Stadt. Warum also sollte das nicht auch der Tourismus in den Skiregionen schaffen? Eine Chance hat er zumindest verdient, denn es hängen viele Existenzen daran. Nicht nur jene der CEOs der grossen Skiressorts, sondern auch die des Tellerwäschers, der Barfrau, des Skiliftbügelgebers oder der Skilehrerin. Ich denke, den Verantwortlichen in der Schweiz ist durchaus bewusst, dass die Skisaison sehr schnell wieder zu Ende ist, sollte sich das Virus unkontrolliert ausbreiten.

Bei aller Unterstützung für die Betroffenen bin ich aber auch dafür, dass Fehlbare bestraft werden, sollten Schutzkonzepte mangelhaft umgesetzt oder vorsätzlich missachtet werden. Und wenn sich die Regierungen Deutschlands, Frankreichs und Italiens davor fürchten, dass nach den Skiferien massenhaft Virus-Schleudern aus der Schweiz in ihre Länder zurückkehren, könnten sie ja eine Quarantäne für solche Rückkehrer verfügen.

Spitäler sind vorbereitet

In der Schweiz gehört Alpin-Skifahren gemäss der Unfallstatistik der Beratungsstelle für Unfallverhütung (bfu) nach Fussball und vor dem Wandern zu den Sportarten mit den zweitmeisten Verletzten. Snowboarden liegt auf Platz neun. Unsere Spitäler wissen also, dass es im Winter regelmässig zu einer Zunahme von Patienten kommt. «Die Spitäler sind grundsätzlich vorbereitet, vor allem in den Skiregionen», sagte Rudolf Hauri dazu diese Woche vor den Medien. Viele der besonders betroffenen Spitäler würden jeweils ihre Bereitschaften in der Wintersaison ändern.

Ausschlaggebend für die Belastung der Spitäler dürfte sein, wie viele Touristen in den kommenden Wochen in die Schweiz strömen werden, sollten die Skigebiete in ihren Heimatländern geschlossen werden. Denn von den durchschnittlich rund 76’000 verletzten Ski- und Snowboardfahrerinnen und -fahrern pro Saison sind gemäss bfu jeweils rund ein Viertel ausländische Gäste.

Sollten unsere Nachbarländer Schweiz-Rückkehrern tatsächlich Quarantäne androhen, könnte das durchaus dazu beitragen, dass weniger Leute aus dem Ausland in die Schweiz kommen und es so auch weniger Verletzte auf den Skipisten gibt. Das Fehlen der ausländischen Gäste dürfte zwar dem Tourismus nicht schmecken, aber besser etwas weniger Umsatz als gar keinen. Denn Herr und Frau Schweizer werden mit Sicherheit kommen. Wie die NZZ am Sonntag schreibt, laufen die Buchungen von Wohnungen in Schweizer Skigebieten jedenfalls bereits sehr gut.

Und wenn der Ansturm der Einheimischen auf die Skigebiete so gross ist, wie derjenige im Sommer auf die Wandergebiete, dürfte der Umsatz vereinzelt vielleicht sogar besser ausfallen, als in einem durchschnittlichen Ski-Winter.

Aktualisierung 16.12.2020

Unterdessen sind die Intensivstationen vieler Schweizer Spitäler sehr stark ausgelastet. Kommen in den nächsten Wochen noch verunfallte Skifahrerinnen und Skifahrer dazu, könnte die Situation in einigen Spitälern eskalieren und deren Systeme kollabieren. Von daher wäre eine (zumindest temporäre) Schliessung der Skigebiete aus heutiger Sicht wohl angebracht. Denn gegen klassische Skiunfälle hilft leider auch das beste Schutzkonzept nicht.


Es muss nicht die Skipiste sein

Gerade im Coronajahr, wo ja alles irgendwie anders ist und man sich regelmässig neuen Gegebenheiten anpassen muss, könnte man ja auch gleich noch eine neue Sportart ausprobieren. Wie wärs denn beispielsweise mit Winterwandern, Schlitteln, Langlauf oder Schneeschuhwandern? All diese Sportarten kannst du vielfach abseits des grossen Halligalli-Skizirkusses ausüben und sie bedürfen, mit Ausnahme von Langlauf, auch keiner grosse Übung.

Hier findest du eine Übersich über die Schlitteplisten in der Schweiz. Für die Planung von Winterwanderungen und Schneeschuhtouren empfehle ich dir die Webseite und die App von Schweiz Mobil. Und Schneeschuh-Neulingen empfehle ich den nachfolgenden Beitrag.

Tipps für Schneeschuh-Einsteiger

Als ich mir vor über 15 Jahren meine «MSR Denali Evo Ascent»-Schneeschuhe gekauft habe, mit denen ich übrigens bis heute noch regelmässig unterwegs bin, war das Schneeschuhwandern hierzulande noch eher eine Randsportart. Heute gehört es mit zu den beliebtesten Wintersportarten. Nicht zuletzt, weil man dabei weitab von überlaufenen Pisten und Wegen unterwegs sein und so…

2 Kommentare zu „Braucht es einen Pisten-Lockdown?

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