Wenn man an Tiere in den Alpen denkt, denkt man meist vor allem an Kühe, Ziegen, Murmeltiere oder Steinböcke – aber vermutlich kaum an Schweine. Dabei war das Schwarze Alpenschwein einst ein vertrauter Anblick in der Alpwirtschaft. Heute wird die alte Rasse wieder gezielt gezüchtet. Für Höfe, die auf robuste Tiere und nachhaltige Kreisläufe setzen.
Bis weit ins 20. Jahrhundert hinein lebten über den ganzen Alpenbogen verteilt verschiedene robuste Bergschweine. Sie waren kräftig gebaut, mit kurzen Körpern und langen Beinen – ideal angepasst an steiles Gelände. Auch in der Schweiz gab es solche Typen: schwarze und gescheckte Bündner, Tessiner und Veltliner Schweine. Mit der Industrialisierung verschwanden diese Tiere vollständig vom Schweizer Boden.

Erst 2013 entdeckten Forscher der Universität Parma letzte überlebende Veltliner Schweine. Gemeinsam mit dem Netzwerk Pro Patrimonio Montano (PatriMont) starteten sie ein länderübergreifendes Rettungsprojekt. Dabei wurden auch letzte Tiere vom Typ Samolaco und Südtiroler Schwein gefunden. Um die genetische Vielfalt zu sichern, entschied man sich, alle zuchtfähigen Tiere in einem gemeinsamen Programm zu erhalten – unter dem Namen Schwarzes Alpenschwein.
Wenige Tiere – viele Standorte
2018 wurden neun Zuchttiere – drei Eber und sechs Sauen – in die Schweiz gebracht und auf vier Betriebe verteilt. Schon im Folgejahr kamen hier die ersten Ferkel zur Welt. Heute leben wieder rund 230 Tiere in der Schweiz, davon 66 Zuchttiere auf 26 Betrieben sowie weitere in etwa 10 bis 12 Mastbetrieben.

Zuchtstandorte finden sich vor allem im Berggebiet – etwa auf der Alp Nadels bei Sumvitg (GR), auf dem Hof Morgarot oberhalb von Lüchingen (SG) oder im Tierpark Goldau (SZ). Weitere Tiere leben in der Zentralschweiz, im Tessin und im Berner Oberland. Die Schweizer Stiftung ProSpecieRara hat das Schwarze Alpenschwein in ihre Rassenliste aufgenommen.
Angepasst an Gelände und Klima
Schwarze Alpenschweine sind trittsicher, wetterresistent und bewegungsfreudig. Ihr dichtes, pigmentiertes Borstenkleid schützt sie vor Sonnenbrand – auch bei ganztägigem Weidegang. Sie verwerten neben klassischem Raufutter auch Pflanzen, die für Milchvieh ungeeignet sind, und benötigen kein Kraftfutter. Damit eignen sie sich besonders für extensive Freilandhaltung im Berggebiet.

Durch ihr Wühlen lockern sie Böden, verdrängen Ampfer und fördern das Bodenleben. Sie helfen mit, verbuschte Flächen wieder nutzbar zu machen – ganz ohne Maschinen. Das macht sie zu einer echten Unterstützung für Betriebe, die auf bodennahe Bewirtschaftung und Biodiversität setzen.
Teil funktionierender Kreisläufe
Viele Betriebe füttern die Tiere mit Nebenprodukten aus Käserei, Gartenbau oder Obstanbau. Der Mist wird als Dünger genutzt. Die Tiere wachsen langsamer als moderne Rassen, brauchen dafür aber kaum externe Inputs. Damit passen sie gut zu Höfen, die auf geschlossene Stoffkreisläufe achten und unabhängig von globalen Futtermittelketten wirtschaften wollen.

Neben der Zucht und Mast werden die Tiere auch in Agrotourismus-Projekten und Bildungsangeboten eingesetzt. Manche Betriebe vermarkten kleine Mengen Fleisch direkt – oft an Kundinnen und Kunden, die wissen, worauf sie achten. Weil die Alpenschweine ständig in Bewegung sind, lagert sich das Fett in der Muskulatur ab. Das ergibt feinfaseriges, marmoriertes Fleisch mit hoher Qualität. Eine Studie der Fachhochschule Graz belegt zudem ein 1,4-fach günstigeres Verhältnis von gesättigten zu ungesättigten Omega-3-Fettsäuren im Vergleich zu herkömmlichen Rassen. Allerdings brauchen die Tiere dafür auch deutlich mehr Zeit: Die Aufzucht dauert zwei- bis dreimal länger als bei modernen Mastschweinen. Der Preis ist entsprechend höher. Doch im Vordergrund steht nicht der schnelle Ertrag, sondern eine robuste, angepasste Tierhaltung mit Mehrwert für Mensch, Tier und Landschaft.
Zurück im Alpenraum – unter klaren Bedingungen
PatriMont und ProSpecieRara verfolgen mit dem Schwarzen Alpenschwein ein klares Ziel: Die Tiere sollen wieder dort leben, wo sie einst entstanden sind – im zentralen und östlichen Alpenraum. Darum werden Zuchtinteressierte gezielt ausgewählt. Der Standort muss im Gebiet der Alpenkonvention liegen, idealerweise in Gebirgslagen mit Weidegang während der Vegetationsperiode oder mit Alpungsmöglichkeit. Nur so lassen sich die typischen Eigenschaften – Robustheit, Genügsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Bergtauglichkeit – langfristig erhalten.
Das Alpenschwein in Zahlen
- Gewicht Eber: 220-250 kg
- Gewicht Sau: 160-200 kg
- Widerristhöhe: ca. 75-85 cm
- Tragzeit: ca. 114 Tage
- Wurfgrösse: 6-10 Ferkel
- Würfe pro Jahr: bis zu 2
- Schlachtreife: nach 10-14 Monaten
- Lebenserwartung: 7-10 Jahre
Quellen: ProSpecieRara, Pro Patrimonio Montano (PatriMont), St.Galler Bauer / Hof Morgarot, Tierpark Goldau, SRF – Schweizer Radio und Fernsehen, Wikipedia, Tierwelt.ch, Zoo Zürich, Naturpark Beverin

