Hüttenwart Christoph Sager hat mit seiner Kritik an Selfie-Touristen und Picknick-Wanderern eine hitzige Debatte ausgelöst. Doch wer hat recht, der genervte Hüttenwart oder die Gäste mit der Brotzeit aus dem Rucksack? Ein Blick ins SAC-Reglement und hinter die Kulissen des Hüttenalltags.

In der letzten Ausgabe der SRF-Doku «Hüttengeschichten» sorgte Hüttenwart Christoph Sager von der Glecksteinhütte für Aufsehen. Er kündigte an, seinen Job aufzugeben, weil ihn Gäste zunehmend frustrieren, die nur für das perfekte Foto vorbeikommen oder ihr mitgebrachtes Picknick auspacken, statt in der Hütte einzukehren.

Vor allem das Thema Selbstversorger polarisierte anschliessend. In den Kommentarspalten der Medien folgten heftige Reaktionen. Einige bezeichneten Sager als «faul» oder gar «ungeeignet für den Job», obwohl er seit 21 Jahren auf Hütten arbeitet. Andere gaben ihm recht und warfen den Gästen Respektlosigkeit gegenüber der Hüttenarbeit vor.

Was sagt das Hüttenreglement?

Die Sache ist eindeutig: Laut Punkt 6.4.1. des offiziellen SAC-Hüttenreglements gilt kein Konsumationszwang. Dort heisst es wörtlich:

«Der Verzehr selbst mitgebrachter Speisen und Getränke ist generell erlaubt.»

Sogar das Kochen eigener Mahlzeiten ist grundsätzlich möglich, sofern ein Selbstkochbereich vorhanden ist (Punkt 6.4.2.). Für dessen Nutzung darf der Hüttenwart eine Gebühr verlangen, um Kosten für Energie, Unterhalt und Infrastruktur abzudecken (Punkt 6.4.3.).

Zwischen Verständnis und Frust

Ist Sagers Kritik damit also hinfällig? Nein. Hüttenwart zu sein ist ein Knochenjob. Die Tage sind lang, die Arbeit hart und das Einkommen stark vom Wetter abhängig. Eine Hütte lebt von Übernachtungen und vom Verkauf von Speisen und Getränken. Diese müssen vor und teils auch noch während der Saison meist teuer per Helikopter angeliefert werden.

Dazu kommen neue Herausforderungen durch den Klimawandel. Wassermangel, Murgänge oder Erosion erschweren den Betrieb zusätzlich. Teilweise müssen Hüttenwege neu gesichert oder ganz umgelegt werden, weil Gletscher schmelzen oder der Permafrost nachgibt. Auch die Stromversorgung wird in abgelegenen Lagen zunehmend schwieriger, wenn Quellen versiegen oder Solaranlagen wegen anhaltender Schlechtwetterphasen weniger leisten.

Wer also als Selbstversorger die Hüttentoilette nutzt, den Abfall dort entsorgt oder auf der Terrasse sitzt, ohne etwas zu konsumieren, profitiert von einer Infrastruktur, die bezahlt und gepflegt werden muss. Dass das auf Dauer frustriert, ist verständlich.

Gegenseitiger Respekt hilft

Trotzdem handelt nicht jeder respektlos, der sein eigenes Brot auspackt. Manche sparen, andere mögen schlicht ihr eigenes Essen lieber. Entscheidend ist das Verhalten. Wer als Selbstversorger wenigstens ein Getränk bestellt oder nach der Benutzung der Toiletten ein Trinkgeld hinterlässt, zeigt Wertschätzung.

Bergwelt-Tipp: Besonders Wirte kleiner und abgelegener Hütten freuen sich, wenn man sie bei einer Reservation fragt, ob man etwas hochbringen soll. So lassen sich unter Umständen teure Transportkosten sparen. Mehr solcher Tipps findest du im Bergwelt-Beitrag «11 Tipps für deinen Hütten-Aufenthalt».

Und wer sich als Hüttenwart über Selbstversorger-Gäste ärgert, sollte das Gespräch suchen, statt einfach nur die Faust im Sack zu machen. Viele wissen schlicht nicht, wie schwierig die wirtschaftliche Lage auf einer Hütte sein kann.

Am Ende gilt wie so oft in den Bergen: Ein bisschen Rücksicht auf beiden Seiten würde viele Konflikte lösen, ganz ohne neue Regeln.


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Ein Kommentar zu „Wem gehört die Hütte? Zwischen Picknick und Pragmatismus

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