Der idyllische Seealpsee im Alpstein gilt als einer der schönsten Bergseen der Schweiz. Doch unter der Wasseroberfläche zeigen sich Spuren menschlicher Einflüsse. Analysen belegen das Vorkommen von Mikroplastikpartikeln, Chemikalien aus Reifenabrieb und eine erhöhte Nährstoffbelastung – ein klares Warnsignal für ein sensibles Ökosystem.

Im Sommer 2024 entnahmen das Amt für Umwelt des Kantons Appenzell Innerrhoden und die Tauchfreunde Rheintal Sedimentproben aus dem Seegrund. Die Resultate wurden nun vom Oekotoxzentrum veröffentlicht. Sie liefern eine aktuelle Analyse darüber, welche Schadstoffe sich am Boden des Seealpsees angesammelt haben und wie sich diese auf das ökologische Gleichgewicht auswirken könnten.

Mikroplastik im Sediment

In den Proben wurden verschiedene Kunststoffarten nachgewiesen, darunter Polypropylen (PP), Polyethylen (PE) und Polyethylenterephthalat (PET). Diese Materialien stammen häufig aus Verpackungen oder Zigarettenfiltern. Der Eintrag in den See erfolgt über Abfall, Wind oder Niederschlag.

Abfallberg am Seealpsee (2020)

Dass Mikroplastik auch in entlegene Regionen gelangt, belegen frühere Studien. Bereits 2022 berichtete ich im Blogbeitrag «In den Alpen schneit es Plastik» über atmosphärische Transporte von Plastikpartikeln in die Bergwelt.

Ebenfalls festgestellt wurden in der aktuellen Analyse Spuren von Substanzen, wie sie im Abrieb von Autoreifen vorkommen. Obwohl der Seealpsee nur zu Fuss erreichbar ist, fanden sich solche Chemikalien im Sediment. Dies deutet auf Einträge aus der Atmosphäre hin. Diese Schadstoffe können auch über kunststoffhaltige Alltagsprodukte in die Umwelt gelangen.

Hinweise auf Überdüngung

Im Laborversuch wurde ein ökotoxikologischer Test mit kleinen Krebstieren durchgeführt. Die Resultate zeigen, dass diese Schadstoffe aufgenommen haben. Das ist ein Zeichen für die toxische Belastung. Vor Ort wurde zudem die Zusammensetzung der Wenigborster-Gemeinschaften im Seegrund untersucht. Diese Kleinlebewesen gelten als Bioindikatoren für die ökologische Qualität von Gewässern. Die festgestellte Zusammensetzung deutet gemäss einer Mitteilung des Kantons auf eine schlechte biologische Qualität hin.

Mögliche Ursachen sind natürliche Nährstoffanreicherung oder Einträge durch Überdüngung. Beides kann das ökologische Gleichgewicht stören, Algenwachstum begünstigen und zu Sauerstoffmangel führen.

Auch andere Bergseen sind betroffen

Was im Seealpsee sichtbar wird, ist kein Einzelfall. In sämtlichen bislang untersuchten Schweizer Seen wurde Mikroplastik nachgewiesen. Laut dem Bundesamt für Umwelt gelangen jährlich rund 14’000 Tonnen Kunststoff in Böden und Gewässer, rund 15 Tonnen davon in Flüsse und Seen. Die Hauptquellen sind Reifenabrieb, Verpackungen, Textilfasern und Kosmetika.

Der meiste Abfall stammt von Reifen, Verpackungen und Textilien

Auch hochgelegene Gewässer sind betroffen. Im Jahr 2021 untersuchte eine Gymnasiastin im Rahmen einer Maturaarbeit mehrere Berg- und Voralpenseen im Oberengadin. Dabei wurden insgesamt 22 verschiedene Arten von Kunststofffragmenten nachgewiesen, selbst in abgelegenen Regionen.

Projekte und Initiativen

Verschiedene Organisationen versuchen gegenzusteuern. Die Kampagne KYMA engagiert sich politisch für strengere Vorschriften gegen Mikroplastik. Oceaneye sammelt wissenschaftliche Daten zur Kunststoffbelastung in Schweizer Seen. In alpinen Regionen beteiligen sich Freiwillige an Clean-up-Aktionen, um Abfall aus schwer zugänglichen Gebieten zu entfernen. Diese Projekte leisten einen konkreten Beitrag zum Schutz empfindlicher Ökosysteme.

Was du selbst tun kannst

Die Resultate aus dem Alpstein machen deutlich, wie empfindlich alpine Gewässer auf menschliche Einflüsse reagieren. Mikroplastik, Chemikalien und Nährstoffe gelangen auch in die Bergwelt, oft unbemerkt und schleichend.

Wer in den Bergen unterwegs ist, kann selbst einen Beitrag leisten. Abfall korrekt entsorgen, keine Rückstände hinterlassen und achtsam mit der Natur umgehen. Denn je weniger Belastung wir zurücklassen, desto länger bleibt die Bergwelt so, wie wir sie lieben.


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